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Lüftlmalerei als Ausdruck von Lebensfreude

Heute geht man ins Tattoo-Studio, früher ging man zum Lüftlmaler. Über die alte Kultur der Hausfassadenverschönerung in der Region.

Oberaudorf
Marktplatz Neubeuern
Berbling
Berbling
Heimatmuseum Prien a.Chiemsee
Stöttnerhaus in Prien a.Chiemsee

Über die Kunst der Lüftlmalerei berichtet unsere Autorin Andrea Strauß:

„Ich find´s halt einfach schön,“ beantwortet die junge Frau die Frage nach dem neuen Tattoo auf ihrem Bauch. Ja, warum auch nicht. Schön sein wollen, schöner sein wollen, ist ein ganz normaler Wunsch, verbreitet über alle Altersstufen, die Geschlechter, Kulturen, Erdteile und Jahrtausende. Er ist noch nicht einmal auf uns Menschen beschränkt.

Wie und was man schmückt, ist dem Zeitgeschmack unterworfen. Heute ist es der Tiger im Sprung zwischen Sonnentop und Jeans. Früher war es ein fromm blickender Petrus an der Hausfassade. Heute geht man ins Tattoostudio, früher ging man zum Lüftlmaler. Vorbilder für die Bemalung seiner Hausfassade gab es schon lange. An Kirchen und Kapellen wurde immer schon auf Putz gemalt, oft auch an Burgen und Schlössern. Nicht so genau sagen kann man dagegen, wo der in Oberbayern und Tirol verbreitete Brauch seinen Ursprung nahm, auch die Privathäuser mit Bildern und Ornamenten zu schmücken. Vielleicht war der Fassadenmaler Franz Seraph Zwinck aus Oberammergau Pate. Sein Haus trug jedenfalls die Bezeichnung „Zum Lüftl“ und gab so wahrscheinlich den Namen für die „Lüftlmalerei“. Drüben in Zwincks Heimat stehen auch immer noch die meisten Häuser mit der farbprächtigen Putzmalerei.

Zwischen Irschenberg und Chiemsee lüftelt es sich weniger. Mal, weil der erste Stock aus unverputztem Holz gearbeitet war und sich gar nicht bemalen ließ. Mal, weil schöner Naturstein verbaut worden war, der von sich aus schon Schmuck ist. Ausgezeichnet schöne Lüftlmalereien gibt es aber auch bei uns. Man findet sie nur nicht im Reiseführer. Sie sind eigentlich Geheimtipps. Am besten, man fragt uns einfach ...

Da rahmen Girlanden die Fenster ein und Blumenschmuck von Künstlerhand rankt bis unters Dach hinauf, da zeigt eine Sonnenuhr an der Hausfront die Stunden an, da teilt ein Heiliger Martin seinen Mantel, ein Franziskus spricht mit den Rehen und eine Maria spendet ihren Segen fürs Haus.

Seit rund hundert Jahren spendet die Gottesmutter den Segen auch fürs Ortbäckhaus in Oberaudorf. Der wohl proportionierte Hof in Ortsmitte trägt die Aufschrift „1625“, wahrscheinlich ist er noch älter. Die noch immer farbprächtige Lüftlmalerei stammt aus der Zwischenkriegszeit. „A Kirchenmaler aus München war da, a Guada,“ erzählt der jetzige Hausbesitzer. Auf der Suche nach Arbeit bot er an, den Hof zu bemalen, dessen Putz seit einem Brand unverziert war.

Bei der Lüftlmalerei wird wie bei der italienischen Freskotechnik auf frischem Kalkputz die Farbe aufgetragen. In einem chemischen Prozess verkieseln die Farben mit dem Putz und werden so sehr langlebig und wetterbeständig. Die Lüftlmalerei bleibt über Jahrhunderte erhalten. Aus dem alten Ägypten sind Arbeiten mit dieser Technik Jahrtausende alt. Was sich einfach anhört, verlangt aber Fachwissen, viel Erfahrung und rasches Arbeiten. Beim echten Fresko - und dazu zählt die Lüftlmalerei - wird erst eine Schicht Unterputz aufgetragen, auf diese skizziert und anschließend auf den dünn aufgebrachten Feinputz sofort gemalt. Der Künstler muss fertig sein, solange der Putz noch nass ist, also sein Werk in der Regel innerhalb eines Tages abgeschlossen haben. Lüftlmalerei ist nun wirklich nichts für verträumte Langschläfer, nur wahre Meister ihres Fachs wagen sich überhaupt an diese Technik.

Das Ortbäckhaus bekam goldene Fenstereinrahmungen, Rosengirlanden in ewiger Blüte und als Prunkstück links der Haustüre eine herrliche Maria im blauen Mantel, mit Jesuskind, auf der Mondsichel stehend, flankiert von zwei Putten. Rechts der Tür wurde ein Birnbaum gepflanzt und eine neue Holzbank kam unters junge Bäumchen, beide stehen noch da wie vor hundert Jahren - welch paradiesische Idylle!

Doch im dörflichen Paradies wurden bald Stimmen laut. Die Putten betreffend. Gegen die Putten selbst war nichts zu sagen. Unschuldige Engerl halt. Aber ihnen fehlte etwas. Oder besser gesagt, man sah etwas. Man sah zuviel. Hätte nicht der Künstler ...? „Mein Großvater ließ den Maler extra nochmal aus München kommen. Die Putten bekamen einen Schurz.“ Als ein paar Jahrzehnte später ein neues Fenster eingebaut wurde und die Maria mitsamt den Putten innerhalb der Hausfassade „umziehen“ musste, kam für die Putten wohlweislich gleich die passende Dessousmode in den Farbtopf des Lüftlmalers.

Auch auf der anderen Innseite lassen sich Lüftlmalereien betrachten. Unter dem Schloss Neubeuern ist der Marktplatz nicht nur ein hübsches Ensemble, sondern auch ein gutes Beispiel, dass der Wunsch zur Verschönerung ansteckend sein kann. Die meisten Gebäude sind echte Schmuckstücke. Die beiden Erker im ersten Stock, der Holzbalkon, die beiden Eckfiguren von Maria und Jesus und die üppige Lüftlmalerei mit den Heiligen Petrus und Paul im Zentrum machen das Innschifffahrts-Museum aber zum Höhepunkt der Häuserzeile.

Viel besser versteckt ist das Haus Nr. 20 in der Heinrichsdofer Straße im kleinen Ort Berbling. Wer nicht einen Spaziergang über die Dörfer rund um Bad Aibling macht oder auf dem Rad die hügelige Voralpenlandschaft durchstreift, wird den Ort kaum betreten, denn die prominentesten Berblingerinnen sind ohnehin nicht da: Die „Drei Frauen in der Kirche“, die Wilhelm Leibl (1844 - 1900) hier malte, hängen in Hamburg in der Kunsthalle.

Als Leibl in Berbling lebte, waren die Rokokofresken an dem alten Bauernhaus neben der Kirche schon hundert Jahre alt. Von den Fensterornamenten, der Verzierung der Hauskanten und der Putzränder abgesehen, sind es vor allem der geheimnisvolle Sinnspruch und die Figuren, die den Betrachter faszinieren. Der Gekreuzigte und Maria im prunkvollen blauen Mantel beschützen den Hof, der Heilige Nikolaus als Bischof, die Heilige Katharina sowie die Heilige Barbara und der Heilige Antonius. Und wer die alte verschnörkelte Schrift entziffern kann, dem wird geraten: „O Sünder, bist schwarz als wie ein Rab, wasch du dich bei diesem Brunnen ab.“ Welche Heiligen das Haus zierten, hing meist von den Namenspatronen der Auftraggeber ab oder vom Patron des Berufsstands, wie zum Beispiel beim Heiligen Lukas am Haus des Kunstglasers Stöttner in Prien.

Warum wir uns über die Lüftlmalereien freuen, egal ob wir sie nun gesucht und gefunden haben oder aus Zufall entdeckt? Weil sie ein Ausdruck von Lebensfreude sind. Weil sie zeigen, dass hier irgendwann, vielleicht vor Jahrhunderten schon, jemand lebte, der Freude am Schönen hatte, stolz war auf sein Zuhause und selbstbewusst genug, um zu zeigen: Uns geht´s gut. Jemand, der diese Freude mit anderen teilen wollte und die Kunst deshalb nicht hinter dicken Mauern versteckte, sondern sie für jeden sichtbar als Lüftlmalerei präsentierte. Ein bisserl zumindest steckt diese Lebensfreude an.

-Andrea Strauß-