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Vergessene Zeil 

Eine Geschichte rund um die Färbergasse in Wasserburg a.Inn, die von ursprünglich "Vergessen Zeil“, dann zur Schustergasse bis zur Salzsenderzeile umbenannt wurde.

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Auszug aus dem Buch "Vergessene Zeil" von Irene Kristen-Deliano:

Bei der Recherche zur Historie, sprich zur Namensgebung der Färbergasse in Wasserburg ( im Stadtplan 1833 erstmals erwähnt), stößt man auf einige Ungereimtheiten, die Verwirrung stiften.
1443 ist diese Gasse urkundlich als „Vergessen Zeil“ belegbar nachgewiesen. 1615 ist sie zur Schustergasse verbaut, hingegen im Vermessungsplan von 1813 zur Salzsenderzeile geschlossen. Durch die Novelle „Die Vergessene Zeile“ des Chiemgau Dichters Wilhelm Jensen (+1911), die im 30jährigen Krieg in Wasserburg spielt, ist die Gasse überregional bekannt geworden. Ein Grund mehr ihr eine romanhafte Geschichte zu widmen.

Quelle: Mattias Haupt, Die Wasserburger Straßennamen, Heft 1, Altstadt, Herausgeber Stadtarchiv Wasserburg am Inn
Verlag Wasserburger Bücherstube

Walpurgisnacht 1526

Eine gespannte Stille liegt über der Stadt am Inn. Nur das gleichmäßige Rauschen des  Flusses ist zu vernehmen. Über seinen Wassern tanzen die Nebelschleier. Der Frühling will in diesem Jahr noch nicht Einzug halten. Nicht nur die nächtliche Feuchtigkeit lässt die Bewohner der Stadt am Inn frösteln. Einigen raubt auch der Vollmond den Schlaf.

Dem Frühlingsmond spricht man besondere Kräfte zu. Angeblich verbinden sich in solchen Nächten die Hexen mit dem Teufel. Das Tor zur Anderswelt steht dann weit offen. Geheime Gerüchte gibt es viele darüber. An langen Winterabenden, wenn das Holz in der Feuerstelle knistert und die Flammen unheimlich flackern, erzählte die Großmutter den Kindern und Enkeln, was sie schon von ihrer Mutter und Großmutter erfahren hat. Diese Sagen und Legenden stammen aus einer Zeit, die viele Jahrhunderte zurückliegt. Ihnen schenkten die Menschen zwar nicht immer Vertrauen, aber meistens Gehör. Bisher blieben der Stadt am Inn solche Schrecken erspart. Aber andernorts sammelt man bereits Holz für die Scheiterhaufen, auf denen die Hexen brennen sollen.

Die Luft ist lau, als Sebastian den Karren mit einem Haufen Felle und Häute zum Innufer zieht. Ein langer Arbeitstag neigt sich dem Ende. Er muss nur noch die frisch gegerbte Ware auswaschen. Einen Teil nach dem anderen nimmt er vom Stapel und geht damit hinunter zum Inn. Das eiskalte Wasser umspült seine Waden und mit festem Griff taucht er jedes einzelne Stück in die Fluten. Seine Lungen füllen sich mit frischem Wohlgeruch, es gut tut, um den Gestank der Lohegruben aus der Nase zu bekommen. Er muss sich konzentrieren, dass er sich nicht bei dieser eintönigen Arbeit in Tagträume verliert und ihm am Ende die Felle davon schwimmen. Es gäbe wieder zusätzlichen Ärger mit dem Vater.

Viel hat er schon gelernt, seit er bei seinem Vater in die Gerberlehre geht, aber Freude hat er nicht die geringste, er hasst diese Arbeit und den Geruch von Fäulnis und Verwesung. Ganz anders ergeht es da Balthasar, seinen jüngeren Bruder. Der liebt es, durch die Gassen zu streifen und den Taubenmist für den bevorstehenden Gerbe-Vorgang einzusammeln. Sein Gesicht strahlt, wenn ihn der Vater für erste Handgriffe in der Werkstatt heranzieht. „Warum hat mich das Los des Erstgeborenen getroffen und nicht ihn“, geht es Sebastian durch den Kopf. Balthasar wäre mit Leib und Seele Gerber und würde von Herzen gerne den Betrieb des Vaters weiterführen. „Oh, verflixt, jetzt wäre mir die letzte Kuhhaut fast durch die Lappen gegangen.“ Nachdem er sich gewaschen hat, genießt er die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Schon hat er ein Bild vor Augen. Magdalena, dieses Mädchen hat ihm den Kopf verdreht. Im Brothaus hat er sie zum ersten Mal gesehen, das lockige Haar, das widerspenstig unter dem Kopftuch hervorlugt und diese veilchenblauen Augen. Sie kaufte das feine, weiße Brot und er das grobe, dunkle vom Vortag. Sie, die Tochter des Schiffmeisters Angermayer, der ein Haus am Platz sein Eigen nennt und er, der Gerbersohn aus der Ledererzeile. Auch wenn sein Vater eine Werkstatt hat und sogar für den Herzog Wilhelm IV Aufträge ausführt, ist er doch von einfachem Stand. Sebastian ließ seinen Gedanken freien Lauf. Er bemerkte nicht mal, dass sich jemand neben ihn ins Gras setzte. Erst als er einen Stups in die Seite bekam, fiel sein Gedankengebilde zusammen.

„He, Karl was schleichst du dich so an?“

„Hab dich gesucht und gehofft dich hier zu finden, muss dir unbedingt was Wichtiges erzählen“, beginnt er unvermittelt das Gespräch. "In unserer Gasse, der Vergessenen Zeil, wo wir Färber unsere Werkstätten haben, ist ein merkwürdiger Fremder aufgetaucht“.

„Fremde kommen doch viel in unsere Stadt. Wir sind doch der Hafen von München, das ist doch nicht ungewöhnlich“, fällt ihm Sebastian ins Wort.

„Ich hab ein Gespräch beim Stern-Bräu belauscht und Bertl, der beim Zunftmeister Geissler arbeitet, berichtet mir von seltsamen Vorgängen in unserer Zeil. Mit tiefblauer Farbe soll ein Batzen Geld verdient werden. Aber auch der Jude Abraham, der Geldverleiher, hat da seine Finger mit im Spiel. Nicht das blasse Blau vom Färberwaid, nein, kräftig dunkelblau soll künftig die Farbe für das Tuch sein“.

„Eigentlich ist das doch die Farbe der bekrönten Häupter“, mischt sich Sebastian ein. Das hat er in der Sonntagsschule gehört. "Der Mantel eines Königs ist entweder purpurrot oder tiefblau. Und jetzt wollen die Färber für die Bürger die Stoffe so färben? Das geht doch nicht? Das kommt einem Aufstand gleich!“

Doch Karl erzählt aufgeregt weiter: „Der Fremde soll Pulver in einem Kästchen mitgebracht haben. Es muss sehr wertvoll sein, denn an seinem Gürtel steckt ein Dolch.“

„Beruhige dich wieder“, fordert Sebastian seinen Freund aus Kindertagen auf. „Noch diese Woche muss ich Leder in die Vergessene Zeil zum Schuster Haindl bringen. Da werd‘ ich mir selbst ein Bild machen, was in der Zeil so vor sich geht. Wenn du aber was Neues hörst, dann sag‘s mir, du weißt, wo du mich findest, bin fast jeden Abend hier, um die Häute und Felle zu waschen“, dabei klopft er Karl auf seinen krummen Buckel. Der Freund hebt dankend die Hand und verabschiedet sich.

Die Luft ist noch frisch, als sich Sebastian auf dem Weg zum Schuster Haindl macht. Unter dem Arm hat er ein ganzes Bündel Lederflecke eingeklemmt. Als er die Vergessene Zeil betritt, haben die Färber ihre Tücher schon auf Leinen über die Gasse gehängt. „Seltsam, lauter pissgelbe Stoffe, wer soll das kaufen?“ Platsch, so ein Mist, jetzt hätte ihn glatt der Inhalt eines Nachttopfes erwischt. Die Gasse ist dreckig, aus den Abtritten läuft eine braune Brühe, es stinkt. Die starken Regenfälle der letzten Tage haben allen Unrat aus den Reihen herausgespült. Gut, dass Sebastian seine Holzschuhe angezogen hat und nicht barfuß gelaufen ist. Knöcheltief ist hier der Morast. Die Rennsau bahnt sich genüsslich grunzend ihren Weg, während sie mit ihrem Rüssel in den Abfallhaufen aus Exkrementen, Küchenabfällen und Mist wühlt. Zwischendrin huschen Ratten hin und her. Ihr Quietschen ist nicht zu überhören. An beiden Seiten ist die Gasse durch Häuser zugebaut, nur durch Schlupflöcher kommt man an diesen Ort. Dort halten sich Zwielichtige, lichtscheue Gestalten auf und ausgerechnet hier soll es um viel Geld gehen, das kann sich Sebastian nicht vorstellen.

Eine Woche später, am Montag früh, hängt ein brenzliger Geruch über der Stadt. Die Sonne lugt gerade über die Innleiten, da ertönt das Horn des Türmers. „Es brennt, es brennt“, schießt es Sebastian durch den Kopf. Am liebsten würde er jetzt vor in die Stadt laufen, aber er muss hinauf in den Speicher, um die Felle und Häute zu wenden, anschließend ist die angelieferte Ware zu salzen. Danach ist gleich die Lohe anzusetzen. Aber am Feierabend würde er zur Brandstätte gehen, da ist er sich sicher. Als er in der Vergessene Zeil eintrifft, liegt immer noch beißender Brandgeruch über der Gasse. Das Haus des Bürstenbinders ist den Flammen zum Opfer gefallen, jedoch die Grabendächer, eine neue Bauweise seit dem letzten Stadtbrand, haben ein weiteres Ausbreiten der Flammen verhindert. Die Brandruine hat den Blick in die verbaute Zeil  freigegeben. Jetzt kann es jeder sehen! Wo am Morgen noch schmutzig gelbe Tücher hingen, sind jetzt tiefblaue Tücher auf den Leinen. Die Bürger sind nicht sicher, ob es sich  hier  um Teufelswerk oder gar um Hexerei handelt.